Auf dem Papier war meine Schwangerschaft sehr gesund und das Baby nie in Gefahr.
Ich wurde sofort schwanger und das hat mich mental komplett überwältigt. Ich hatte in meinem Kopf, dass es etwa ein Jahr dauern kann – darauf war ich eingestellt und hab mir ausgemalt, was wir vorher noch alles machen können.
“Es gab Tage, da habe ich nur Eiswürfel gegessen.”
An dieser Stelle habe ich schon meine erste Lektion gelernt. Kinder machen was sie wollen. Man kann nichts mehr planen. Die ersten Wochen war ich mental überfordert: “Oh Gott, das ging jetzt so schnell…bin ich überhaupt bereit Mutter zu werden? Ich wollte doch noch so viel machen.” Ich hatte wirklich viel Angst vor einer Fehlgeburt. Jeder um mich herum hatte bereits eine und statistisch gesehen, ist ja jede 4. Schwangerschaft eine Fehlgeburt. Das war auch in meinem Kopf – Fehlgeburten sind normaler als wir denken. Wir haben unserer Familie daher bis zur 20. SSW nichts von der Schwangerschaft erzählt. Ab der 12. SSW ging es mir dann richtig schlecht.
Wenn man Freund gekocht hat, habe ich Handtücher an die Tür gehangen, damit der Geruch nicht ins Zimmer kommt. Ich bin zum Vegetarier geworden. Es gab Tage, da habe ich nur Eiswürfel gegessen. Natürlich hatte ich dann ein schlechtes Gewissen, weil ich wusste, dass ich auch Vitamine für mein Kind brauche. Das hat mich im Kopf zermürbt. Ich habe kaum zugenommen, weil ich nichts essen konnte.
Natürlich habe ich mir Sorgen gemacht, dass mein Kind nicht genug kriegt. Ich musste dann öfter ins Krankenhaus, aber dort haben sie immer gemeint, dass bis auf ein paar Vitaminwerte und Eisenmangel, alles ok ist. Also musste ich “nur” ein paar Vitamine einnehmen. In dem 6./7. Monat war dann alles mal ok, ich hatte wieder Hunger. Dann wuchs der Kleine allerdings so sehr, dass er mir auf einem Nerv lag und ich nicht mehr gehen konnte.
Angst & Sorge
Die Herausforderungen in der Schwangerschaft waren für mich vor allem mental. Ich hatte das Gefühl, nichts gut genug für mein Kind zu machen. Ich musste Vitamine nehmen und wusste, dass ich essen muss, aber das ging lange nicht. Am Ende wurde es dann auch körperlich schwierig. Ich bin irgendwann kaum noch vom Sofa alleine hoch gekommen und musste quasi aus der Badewanne getragen werden.
Zu merken, dass man plötzlich so abhängig vom Partner ist, war schwierig. Vor der Schwangerschaft war ich nahezu angstfrei. In der Schwangerschaft dachte ich die ganze Zeit nur: “Oh Gott, wenn dem Kind jetzt was passiert.” Das wäre so schlimm für mich gewesen. Die ganze Zeit hatte ich Sorge und Angst.
Wenn die mentalen Veränderungen, die Körperlichen überwiegen
Ich hätte gern vorher gewusst, dass man nicht nur bis zur 12. Woche Übelkeit hat und das Morgenübelkeit nicht nur morgens kommt und wieder verschwindet, wie es im Fernsehen gern gezeigt wird. Mir war 24/7 schlecht und das über mehrere Wochen. Dazu habe ich erst mehr erfahren, als ich schon mitten drin steckte. Ich hab dann super viel gelesen.
Es wird total viel über körperliche Veränderungen in der Schwangerschaften gesprochen, aber das Mentale bleibt außen vor. Ich hatte fast Depressionen zu Beginn meiner Schwangerschaft. Die Hormonumstellung hat auch meine mentale Gesundheit durcheinander gebracht und das bereits zu Beginn der Schwangerschaft. Das ist einfach kein Thema in der Gesellschaft.
TRIGGERWARNUNG –
Als der Geburtstermin da war…
Ich hätte gerne einen Kaiserschnitt gehabt, von Anfang an. Davon wird einem ja abgeraten, aber ich hatte extreme Angst vor der natürlichen Geburt. Dafür wurde ich viel verurteilt. Dann war es eben so und ich würde eine natürliche Geburt haben. Das haben schon viele Frauen geschafft – ich werde das schon irgendwie hinkriegen, dachte ich mir. Aber dann kam alles anders. Hier in England geht man am Geburtstermin ins Krankenhaus, wenn das Baby noch nicht da ist. Dann kriegt man eine “Membran-Sweep” (Eipollösung). Dabei werden die Eihäute der Fruchtblase von der Gebärmutter durch leichte Massage abgelöst.
Es fühlte sich an, als würden sie nur schauen, ob der Muttermund bereits offen ist. In dem Moment als die Schwester das machte, wurde mir ganz ganz schlecht. Sie fragte, ob alles ok sei und meinte, ich sei ganz weiß. Bis heute habe ich das Gefühl, dass das der Grund für die Geburt war, die ich hatte. Sie meinte, es solle die Kontraktionen anregen. Dann hat sie gesagt, dass durch die Eipollösung etwas Blut abgehen kann. Ich habe danach den Bus nach Hause genommen und schon gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt.
Da dachte ich aber noch nicht an Kontraktionen. Ich wusste ja nicht, wie sich Kontraktionen anfühlen.
Als ich zu Hause war, war ich völlig fertig und bin früh ins Bett gegangen. Um 5:00 morgens bin ich aufgewacht, jetzt mit Kontraktionen. Ich hatte auch Blut im Slip, aber die Schwester meinte, dass das völlig normal wäre. Also habe ich mir nichts weiter dabei gedacht. Ab 8:00 Uhr hat mein Freund die App heruntergeladen, um die Kontraktionen zu tracken.
Alles kam anders – Not-Kaiserschnitt
Wir haben dann schnell gemerkt, dass sie regelmäßig und oft kommen. Das Blut, das abging, wurde mehr. Dann hab ich im Krankenhaus angerufen. Sie meinten, ich solle sofort reinkommen. Irgendwie bekam ich dann Angst. Wir haben keinen Kindersitz für’s Auto mit ins Krankenhaus genommen, weil für mich das schlimmste Gefühl gewesen wäre, mit einem leeren Kindersitz nach Hause zu kommen. Im Auto war jeder Stock und Stein, über den wir gefahren sind, der Horror.
Ich hatte so Schmerzen bekommen. Wegen Covid19 durfte ich nur alleine ins Krankenhaus – mein Freund musste draußen warten. In der Urinprobe, die ich abgegeben habe, war so viel Blut, als hätte ich meine Tage. Dann konnte ich nicht mehr sitzen, hab nur noch geschrien, mir war schlecht und ich musste immer noch am Empfang im Krankenhaus warten. Ich bettelte, ob jemand kommen könne, um mich anzuschauen. Eine Stunde wartete ich da alleine. Als ich dran war, fragte mich die Hebamme, wann sich das Kind zuletzt bewegt hatte.
Da ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass er sich den ganzen Morgen nicht bewegt hatte. Ich war so beschäftigt mit den Schmerzen und den Blutungen, dass ich das nicht einmal bemerkt hatte. Ich habe dann einen Tee bekommen und eine Binde, damit sie sehen konnten, wie mein Blut aussah. Dann bekam ich eine Kanüle gelegt. Ich hatte Schmerzen, mir war schlecht, keine Bewegung vom Kind, schwacher Herzschlag, keiner hat mit mir geredet. Eine Krankenschwester kam, um zu schauen wie weit der Muttermund offen war. Es waren nur 2cm.
Aber als sie ihre Hand wieder rauszog, war sie voller Blut. Eine andere Krankenschwester kam und fragte nach der Binde. Die Binde, meine Beine und die Liege waren voller Blut. Ich hatte das mit dem großen Bauch gar nicht gesehen. Ohne ein Wort zu sagen, ging sie wieder raus. Da hab ich gemerkt, dass es nicht so lief, wie es sollte. Danach kam die Chefärztin und meinte, die Plazenta hätte sich abgelöst und das Baby müsse sofort raus. Ich wurde ausgezogen und mit der Liege in einen Raum geschoben, wo wirklich viele Leute waren.
Dort bekam ich eine PDA. Davor hatte ich etwas Angst. Aber es hat mir, im Vergleich zu den Kontraktionen, überhaupt nicht weh getan. Ich hab mich echt high gefühlt. Der Anästhesist hat mir alles erklärt und in jedem Moment gesagt, was passieren wird. Mein Bauch wurde aufgeschnitten. Es dauerte 20 Sekunden, dann war mein Baby raus und komplett lila. Er hat nicht geweint und die Ärzte haben ihn sofort mitgenommen. Es hat sich wie eine Stunde angefühlt. Tatsächlich waren es wahrscheinlich 5 Minuten bis ich ihn bekommen habe.
Dann kamen die erlösenden Worte, dass der Kleine kerngesund ist. Alles war gut. Ich wurde dann am nächsten Tag bereits entlassen, was wirklich schwierig war. Aber das Krankenhaus hatte einfach keinen Platz frei für uns. Ich hatte zwar Schmerzen nach dem Not-Kaiserschnitt – klar, es ist ja eine Operation gewesen – aber nicht so, dass ich es nicht aushalten konnte. Man muss danach schon sehr auf sich und die Narbe achten, aber es verheilte alles super. Wir hatten im Nachgang keine gesundheitlichen Probleme.
Was ich bereue?
Ich war nach der Geburt so mit der neuen Situation und meinem Baby beschäftigt, dass ich nicht mehr im Krankenhaus nachgefragt habe, was das Problem war und wie man es hätte verhindern können. Wir sprechen zu wenig darüber, dass Geburten auch anders verlaufen können. Es gibt nicht nur die Geburt mit Kerzen und man sitzt im Pool, die Musik spielt und das Kind kommt einfach raus. Ich hatte einen Not-Kaiserschnitt – diese Dinge gibt’s und zum Glück habe ich trotzdem ein gesundes Kind geboren. Man kann eben nicht alles planen. Wenn man plant, sollte man wissen, dass es völlig anders laufen kann und das auch ok ist.
Emilia